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Anpassung

Zuerst hackten sie mir die Füße ab und sagten: „Das machen wir bei jedem, der hier etwas werden will. Schau dich um: Füße hat hier keiner. Wozu brauchst du Füße? Du wirst immer genau dahingefahren, wo wir dich brauchen. So bequem ist das bei uns.“
Gut so, dachte ich, wozu eigene Wege gehen, wenn man den richtigen gefahren wird.
Das Zweite, was dem Beil zum Opfer fiel, waren die Hände. „Wozu brauchst du Hände?“, sagte man zu mir. „Jetzt arbeitest du mit dem Kopf. Hände fassen bloß alles Mögliche an. Wozu denn alles begreifen? Ohne Hände steigt man gleich in die nächste Gehaltsgruppe auf. Das willst du doch auch, oder nicht?“ Dann aber wurde mir das erste Brett an den Schädel genagelt. Es war ja nur ein Brettchen und es bedeckte nicht einmal die Augen, nur seitlich ein Ohr und es engte den Blick etwas ein.
Der Schmerz war rasend, als sich der Nagel in meine Schläfe bohrte. „Beim ersten Mal tut es noch etwas weh.“, sagte mein Vorgesetzter gleichmütig. „Aber wenn du dich hier profilieren willst, sind gewisse Anpassungen unumgänglich.“ Er schlug gleichmäßig. „Lehne doch bitte den Kopf an die Wand.“, bat er freundlich. „Das nagelt sich besser.“
Ja, er hatte Recht. Schon das Anbringen des zweiten Brettes, welches auf der anderen Kopfseite angenagelt wurde, ertrug ich besser. Später ließen auch die Schmerzen nach und in meinem Gehirn breitete sich eine ruhige Taubheit aus.
Nun konnte mein Blick nicht mehr nach links und rechts abweichen. Wie alle hier blickte ich geradewegs nach vorn. Auch der Mund erhielt endlich sein Brett. Die weiteren Leisten dienten der Verstärkung des Halses (es entfiel damit die Drehbewegung) sowie der Arm- und Beinstümpfe. Stabilität und Belastbarkeit meines Körpers wuchsen damit beträchtlich.
„Der ist gut geworden.“, hörte ich eines Tages meinen Vorgesetzten sagen. „Wenn wir ihm eine Platte aufleimen, ist es ein brauchbarer Arbeitstisch.“

(Heino Hertel - 1989)

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